Was ist der Unterschied zwischen Jakow und Esaw?
Was ist der Unterschied?! Ist das nicht klar? Jakow war ein Zaddik, ein großer Mensch, und Esaw war ein Rasha, ein böser Mensch. Das ist einfach, das wissen wir alle. Aber wenn wir suchen, ein wenig tiefer gehen, was finden wir unter der Oberfläche?
Wir wissen, was geschah, als sich Jakov und Esaw nach 22 Jahren wieder getroffen haben. Vor diesem Zusammentreffen hat Jakow seinem Bruder auf dessen Weg immer wieder Geschenke entgegengesandt.
Aber Esaw wollte diese Geschenke nicht annehmen. Er sprach zu Jakow: „Ich habe schon viel, Ich brauche deine Geschenke nicht!“ Jakow erwiderte darauf: „Ja, aber ich habe alles. Ich brauche sie nicht mehr, nimm sie für dich.“
Unsere Weisen lehren uns, dass die Worte von Jakow und Esaw zwar sehr ähnlich sind, sich aber trotzdem fundamental unterscheiden. Darum können wir von hier viel lernen. Welches ist das Wort, das Esaw sagt und Jakow nicht? Esaw spricht: „ich habe viel“ dagegen sagte Jakow „ich habe alles“.
Chasal erklären uns an dieser Stelle, dass das Wort „viel“ im Gegensatz zu „alle“ der große Unterschied zwischen den Brüdern ist. Jakow meint, „ich habe alles“, „ich brauche nicht mehr“; Esaw aber sagt nur, dass er viel hat. „Viel“ ist nicht „alles“ und „viel“ ist vor allem nicht genug. Jakow vermittelt uns, wie wir mit Geld umgehen sollen: was wir bekommen haben, ist das, was wir brauchen, es reicht aus. Es ist dagegen einer der Charakterzüge von Esaw, immer mehr Geld haben zu wollen.
In Pirkei Awot sagen uns unsere Weisen: wer 100 hat, wird 200 wollen. Der, der 200 hat wird 400 wollen. Geld ist eine schlechte Sache – es macht uns gierig.
Aber das ist nicht das ganze Bild. Während Jakow Esaw entgegen zieht ereignet sich noch eine zweite Geschichte: Jakow überquert mit seiner ganzen Familie einen Fluss. Er bemerkt auf einmal, daß er zwei kleine Geschirrteile auf der anderen Seite des Flusses vergessen hat.
Eigentlich hätte er da sagen müssen: „Ich habe alles was ich brauche, und jetzt habe ich dieses wertlose Geschirr auf der anderen Seite liegen lassen. Was soll’s, ich brauche dieses Geschirr nicht.“
Doch in Wirklichkeit ist er mitten in der Nacht zurückgegangen, hat nochmals den Fluß überquert und dabei sein Leben gefährdet. Warum? Für was? Nur für zwei wertlose kleine Geschirrteile? Wie können wir da sagen, dass Jakow alles gehabt hat und nicht mehr brauchte, wenn er für dieses wertlose Zeug so einen Aufwand betrieb?
Außerdem – im letzen Wochenabschnitt sprach er zu Lawan: „Ich habe viel für dich gearbeitet, wann kann ich für mich selbst arbeiten? Wann kann ich für mich Geld verdienen?“
Mehr Geld? Er hatte doch schon alles. War er vielleicht doch auch einer von denen, die 100 haben und 200 wollen? Es kann doch nicht sein, dass einer unserer Vorväter sich so gab, dass er zu anderen sprach: ‚ich habe alles’ während er zu sich selbst sagte: ich will mehr! Nein, das passt gar nicht zu ihm. Wie sollen wir diese Geschichte also verstehen?
Vielleicht hilft uns hier folgende kleine Anekdote weiter: Einst sprach ein großer Rabbiner zu seiner Gemeinde: „Wenn wir alle Gebete des jüdischen Volkes nehmen, und zusammenpressen, und immer mehr pressen, was wird am Ende dabei rauskommen?“ Geld, Geld, und noch mehr Geld. „G-tt gib mir Geld! Hashem ich brauche Geld! G-tt ich habe ein großes Geschäft heute, bitte mach, dass es erfolgreich wird! Bitte lass mich im Lotto gewinnen“
Die Gemeinde war geschockt! Was wollte der Rabbiner damit sagen? Wollte er, dass sie nicht mehr beten?
Natürlich nicht! Aber sie sollten zuerst ihre Ziele und dann auch ihre Worte besser wählen: „Ich brauche Geld um Zedaka zu geben. Ich brauche Geld um koscheres Essen zu kaufen. Ich brauche Geld, um meine Kinder jüdisch erziehen lassen zu können. Ich brauche Geld, um den jüdischen Staat unterstützen zu können!“
Geld nicht um des Geldes willen, sondern Geld, um jüdisch zu leben – darum geht es!
Und dann ist Geld nicht mehr nur noch Geld, sondern es verändert sich, es wird zur Mizwe. Denn unsere Gebete um Geld, unsere Bitten, mit Reichtum gesegnet zu werden, sie sind ja nun richtig ausgerichtet: wir wollen all das, um unsere Mitzwot erfüllen zu können und nicht, um einfach nur reich zu sein.
Mit Jakow war es genauso: Er hat seinen Reichtum nur für seinen Glauben verwendet. Um jüdisch zu sein und jüdisch zu leben, hat er eben auch Geld gebraucht und Hashem hat ihm viel davon gegeben. Aber Jakow hat im Gegenzug verstanden: Dieses viele Geld, es ist nicht da, damit ich in Luxus lebe, es ist da, damit ich Mitzwot halte! Deshalb ist er auch für die eigentlich nicht sehr wertvollen Geschirrteile umgekehrt und hat noch einmal den gefährlichen Fluß überquert. Er wußte: „Wenn G-tt mir dieses Geschirr gegeben hat, dann hatte es eine Bedeutung, dann hatte es den Zweck, daß ich damit Mitzwot erfülle. Es ist nicht überflüssig, ich kann es nicht einfach liegenlassen.“
Und jetzt verstehen wir auch seine Bitte an Lawan: Er wollte, nein, er mußte viel Geld verdienen. Und warum? Er hatte 12 Kinder, denen er ein jüdisches Leben mit Mizwot ermöglichen mußte. Jakow hat das Geld gebraucht, um diese wichtige Aufgabe zu erfüllen.
Esaw dagegen hat Geld nur gebraucht um des Geldes Willen. Deswegen hat Jakow sagen können: „Ich habe alles“ und Esaw nur: „ich habe viel“.
Mögen wir alle erkennen und viel Geld bekommen, damit wir unsere Aufgabe erfüllen können!